Für eine Sanierung der evangelischen Stadtkirche in Bad Arolsen soll bis zum Jahresende ein Gesamtkonzept vorgelegt werden. Das wurde bei der jüngsten Versammlung des Förderkreises mitgeteilt. Dann wird es auch einen Überblick über die Kosten geben.

Bereits jetzt steht fest, dass die Sanierung von der Dachkonstruktion her beginnen und dann nach unten über die Stuckdecke hinweg fortgesetzt wird. Mit einer neuartigen Methode könnte die Stuckdecke dauerhaft gesichert werden, wie Dipl.-Ing. Jürgen Schimmelpfeng vom Architekturbüro Müntinga/ Puy nach einem Gespräch mit dem süddeutschen Restaurator Amann berichtete.

Er hat eine Methode zur Befestigung von vorhandenem Stuck durch eine Karbon-Hanf-Faser entwickelt, die im Gegensatz zu Nägeln und Schrauben beweglich ist und sich gut mit der Lehmdecke vertragen soll. Diese Mischfaser wird in einer Flüssigkeit mit mineralischen Elementen getränkt, um dadurch die Verankerung im Stuck zu stärken. Die Karbon-Hanf-Faser-Dübel werden von oben durch die Holzdecke in den Stuck eingebracht und mit Mörtel verfüllt.

Dazu muss vorher im gesamten Innenraum ein Gerüst gestellt worden sein, damit man mit Kissen die Stuckdecke abpuffern kann, um so bei den Arbeiten von oben keine weiteren Schäden an der Decke hervorzurufen. Diese wird zuvor noch mit einem Trockenschwamm gereinigt. Die Dübel werden eingebracht und vorhandene Hohlräume neu mit Lehm ausgefüllt.

Test in der evangelischen Kirche Bad Arolsen geplant: An Karbon-Hand-Faser-Dübeln soll die Stuckdecke in einem Abschnitt versuchsweise befestigt werden.

Neue Methode erproben

Nach der Durchtrocknung werden Kissen und Gerüst entfernt. Nun hängt die Stuckdecke buchstäblich an tausenden von Dübeln, eventuelle Abplatzungen können nicht mehr runterfallen. Um dieses Vorgehen in der Arolser Stadtkirche zu testen, soll eine Musterachse in der Höhe der Rauch-Figuren Liebe, Glaube, Hoffnung angelegt werden. Pfarrer Gerhard Lueg: „Das soll bald geschehen, damit man diese Achse eine Zeit lang beobachten und die Auswirkungen der Arbeiten auf das Gebäude einschätzen kann.“

Der Restaurator Amann gilt als Fachmann für Stuckrenovierungen im süddeutschen Raum, hat aber auch in Nordhessen an Stuckdecken, so etwa die in der Kirche von Balhorn, gearbeitet.

Kirche insgesamt sichern

Diese Arbeiten, so sie denn für den gesamten Stuckbereich angewendet werden, sind eingebunden in ein Konzept zur Sicherung der Kirche, die mit der Dachsanierung beginnt. Die Dachkonstruktion ist nach einer Begutachtung im Prinzip intakt, aber sie weist viele nachträglich eingebaute Verbindungsstreben vom Außendach zum Innen- und Stuckdach auf, die die Wind-und Schneelast nach innen weiterzuleiten imstande sind.

Da bei der gewölbten Stuckdecke der sogenannte Zugbalken fehlt, der die äußeren Seiten verbindet und Druck abfängt, ist durch die Dachlast ein Auseinandergehen der Seitenwände festzustellen. Hier muss das Dach zusätzlich ertüchtigt werden.  

Das sind Faktoren

Mehrere Faktoren haben nach Darstellung von Schimmelpfeng zu den Problemen geführt. Probleme, die aus der Bauzeit herrührten, und die Korrosion der den Stuck haltenden Nägel hätten zu dem Abplatzen von Stuckteilen geführt.

Problematisch ist die aus den 1980-er Jahren stammende Wärmedämmung des Daches, die durch eine Teerpappe als Dampfbremse verstärkt wurde. Die durch intensive Nutzung nach oben ziehende Atemluft konnte wegen dieser Lage nicht abziehen.

Wärmedämmung dennoch empfehlenswert

Auch die wahrscheinlich als Lärmschutz eingebauten doppelt verglasten Fenster haben mit zu der Situation geführt. Die Wärmedämmung empfiehlt der Baufachmann, die Dampfbremse müsse aber beseitigt werden. Dabei muss auch geklärt, welche Materialien verbaut wurden, um die sachgerechte Beseitigung sicherzustellen.

Ein Blick zurück in die Baugeschichte soll bei der Erforschung von Ursachen helfen. Beim Bau gab es schon Probleme, so stürzte das Deckenplafond ab. Zum einen ist in Verbindung mit der Denkmalpflege eine Recherche im Archiv zur Entstehung von Dach und Stuckdecke vorgesehen.

Baugeschichte neu schreiben

Geplant ist außerdem eine detaillierte Baugeschichte, mit der ein Historiker aus Hannover beauftragt werden soll. Dazu setzt die Gemeinde auf die Finanzierung durch das Landesamt für Denkmalpflege.

Aus allen diesen Mosaiksteinen soll bis zum Jahresende ein Konzept erstellt werden, bei dem auch die Kosten abgebildet werden.

Offene Fragen

Neben dem technisch Notwendigen sollen die Wünsche der Gemeinde, wie etwa die Erneuerung von Kirchenfenstern, der Ausbau von Bankreihen oder eine Öffnung der Nordtür, dargestellt werden.

Nicht zuletzt muss die Finanzierung geklärt werden, mithin das Vorgehen in verschiedenen Bauabschnitten. Ein Millionenbetrag wird bereits für das Projekt geschätzt. Ganz verzichten müssen die Gemeindeglieder auf die Stadtkirche nicht.

Mit Netz sichern

Architekt Schimmelpfeng schlägt den Einbau eines Netzes unter der Decke mithilfe von seitlich aufgestellten Gerüsten vor. Somit sind die Besucher vor herabfallenden Brocken geschützt. Geschätzte Kosten: 20 000 Euro.

Wenn dann das große Gerüst für die Sanierung aufgestellt wird, könnte die Kirche zu speziellen Gottesdiensten oder zu Baustellenführungen geöffnet werden. Die Orgel muss zudem eingehaust werden, eine Tür muss für Kontrollen des Instrumentes während der Bauzeit eingebaut werden.

AKTUELL: DIE KIRCHE IST DURCH NETZ GESICHERT UND KANN BETRETEN UND GENUTZT WERDEN. DIE ORGEL IST DURCH GERÜST GESCHÜTZT UND WIRD BESPIELT.

Spenden gesammelt

Der Förderkreis besteht derzeit aus 34 Mitgliedern (Privatpersonen, Familien und Institutionen), die mit ihren Beiträgen das Vorhaben unterstützen. Anfang November verbuchte Pfarrer Lueg Spenden von insgesamt rund 37 000 Euro. Darunter sind die Spenden vom Benefiz-Konzert im Schlosshof in Höhe von 1522 Euro sowie 11 830 Euro vom Freiwilligen Kirchgeld 2020, das direkt zur Erhaltung der Stadtkirche gespendet wurde. Der Förderkreis bestätigte Pfarrer Lueg als Vorsitzenden. Schriftführer ist Uwe Simon, für Finanzen ist Udo Geißler zuständig, für Öffentlichkeitsarbeit Armin Haß und Elmar Schulten.

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